Du auch! Ihr Zwei! U2! – Part 1
Aus der Retroperspektive entdeckt man im eigenem Leben immer wieder einschneidende Erlebnisse. Quasi Scheidewege, an denen sich das Leben für diesen oder jene Variation entschieden hat. Der 13. Juli 1985 hielt für mich so einen Moment parat, aber es sollte noch etwas dauern, bis ich das überhaupt bemerkt hatte. Ganz aufmerksame Musikfans erkennen das Datum als Tag des gigantischen Benefizkonzertes Live Aid und es sollte dieser Tag sein der mich Fan werden lies. Vielleicht nicht direkt im Anschluss, aber dort hat es irgendwie „klick“ gemacht.
Schaue ich mir heute diesen Auftritt auf der DVD an, frage ich mich schon manchmal, wo die Begeisterung damals hergekommen ist: Vergleicht man den Auftritt von U2 mit denen von anderen Künstlern, muss man, auch als Fan, eingestehen, dass das weder qualitativ noch modisch der beste Auftritt der Veranstaltung war. Okay, Bonos Vokuhila und Hosen in den Stiefeln, das waren die 90er und sind wohl genauso zu Entschuldigen wie die engen gestreiften Jeans, die quasi zeitgleich vor allem beim Hairsprayrock verbreitet waren, aber trotzdem hatte der Auftritt etwas Besonderes.
Für die, die den Auftritt nicht gesehen haben: Live-Aid war ein gigantisches Doppelkonzert, das im Wembley-Stadium in London anfing, sich später mit dem JFK-Stadium in Philadelphia abwechselte, wo das Konzert dann auch beendet wurde. Einspieler aus anderen Ländern (z.B. auch Köln) rundeten das 16 Stunden Konzert ab und es wurden vermutlich 1,5 Milliarden Menschen über Fernseher und Radio erreicht. Im Grunde hat damals fast alles teilgenommen, was zu der Zeit Rand und Namen hatte, zudem gab es einige Reunions (Led Zep, The Who, CSNY, Black Sabbath).
Die irische Band U2 war damals eigentlich nur einer von vielen Acts dessen Auftritt im straff organisierten Event (es gibt wohl wenige Sachen, die noch strenger und straffer organisiert sind als Rockkonzerte, bzw. speziell Festivals), hätte Bono nicht „Bad“ etwas in die Länge gezogen. In die Länge gezogen bedeutete: Bono (Bürgerlich „Paul Hewson“, aber das fällt ihm wohl manchmal selber nicht mehr ein) war unzufrieden mit der Distanz zum Publikum, verlies die Bühne, stellte sich in den Kameragraben und lies sich zwei Fans auf die Bühne, bzw. in den Kameragraben bringen. „Bad“ wurde dabei zeitlich etwas ausgedehnt, weshalb das ursprünglich geplante „Sunday Bloody Sunday“ an diesem Tag nicht gespielt wurde.
Ich erinnerte mich daran, den Namen U2 schon einmal bei den Schallplatten meines Bruders gesehen zu haben, und tatsächlich befand sich deren Live-EP „Under a blood red sky“ in seiner Sammlung, die ich mir dann spontan und fast quasi dauerhaft ausgeliehen habe. Da U2 sich zu jener Zeit (wohl auch aus der Folge der Zusammenarbeit mit Eno und Lanois) etwas vom Post-Punk verabschiedet, weshalb man als U2 Fan schon vor der Veröffentlichung von „The Joshua Tree“ mit dem Vorwurf „die sind sich untreu geworden“ konfrontiert wurde (und natürlich war jeder der Überzeugung das „die alten U2“ viel besser waren als „die Neuen“… die Trennlinie war damals das eben erwähnte Livealbum).
Es folgte die Veröffentlichung von „The Joshua Tree“: das Album katapultierte U2 an die Spitze: seit dieser Zeit schaffen es die vier Iren, Stadien zu füllen, wenig andere spielen dauerhaft in der gleichen Liga. U2 waren auf dem Cover des Time-Magazins, des Rolling Stones , Ende der 80er waren U2 die Band und die deutsche Musikzeitschrift „Musik Express Sounds“ machte in den 90ern Auflage mit der Suche nach „den neuen U2“ (gemeint waren Bands wie Radiohead), irgendwann stellte man dann aber wohl erstaunt fest: U2 waren gar nicht weg!
„Kreuzritter des Rocks“ war ein Titel, den die Presse der Band verlieh und schon damals lehnte sich Bono mit politischen Statements weit aus dem Fenster. Zeigte sich die Band bei „The Joshua Tree“ noch eher modern, war der Nachfolger „Rattle and Hum“ eine Reise zu musikalischen Wurzeln: Lieder die mit Dylan und B.B.King eingespielt wurden, manövrierten die Band fast in eine Sackgasse und beim New Years Eve Concert 1989 im Point Depot in Dublin lag der Hauch von Trennung in der Luft.
1991, nach intensiver Arbeit in Studios in Berlin und Dublin, brachte die Band „Achtung Baby“ heraus, das Album, das sich wohl mit „Joshua Tree“ am meisten um den Titel „Bestes U2 – Album“ streitet. Einige Zeit vor dem Release wurden (angeblich) Masterbänder aus dem Hotelzimmer geklaut, unveröffentlichtes Material fand den Weg zu den Fans und auch ich besitze noch die beiden Doppel-LPs mit den schlichten Titel „The New U2“ (später dann noch mal (inoffiziell) auf CD unter dem Titel „Salome, The Axtung Baby Outtakes“ erschienen). Was ich da gehört habe, hat mir sehr gut gefallen: roher Rock, zwei Gitarren, treibende Drums, ein durchdringender Bass, einfach bombastisch. Als dann „The Fly“ veröffentlicht wurde, bin ich irgendwie hart in der Realität aufgeschlagen: „Achtung Baby“ selber habe ich knapp eine Woche vor dem Release auf der Plattenbörse kaufen können und es war irgendwie heftige Kost. Verglichen mit dem Rohmaterial der Bootlegs war das Album vollkommen überproduziert und europäische Einschläge bereiteten einen vor, in welche Richtung einige B-Seiten gehen sollten (und man konnte erahnen, was die beiden Folgealben bereit halten würden).
Nachdem ich es weder bei Joshua Tree noch bei Rattle and Hum auf die dazugehörige Tour („Love Town“ bei Rattle and Hum) geschafft habe, war dann „Zoo TV“ in der Westfalenhalle mein erstes U2-Konzert (und wie es sich für einen Gitarristen gehört stand ich direkt dort, wo der Catwalk zur B-Bühne die Hauptbühne traf, direkt vor Edge. Das das nun 20 Jahre her ist … gibt mir manchmal zu denken.
Mehr zu U2 und mir … demnächst.