Nur ein weiterer Stein in der Mauer – Just another brick in the wall
Ende 1979 war die Welt noch in Ordnung: Unterteilt in Erste, Zweite und Dritte Welt, der Osten vom Westen unter anderem durch die Mauer getrennt und die Herren Waters und Gilmour waren noch in der gleichen Band. Unabhängig von Ulbrichts „niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“-Denkmal beschäftigten sich die beiden Herren mit ihren Kollegen Mason und Wright mit einer eigenen Mauer. Oder vielleicht auch mehreren, denn hier setzte sich im Grunde fort, was spätestens mit „Dark Side of the Moon“ begann: die kommende Trennung von Pink Floyd aber auch die gefühlte Mauer, welche die Musiker zwischen sich und ihrem Publikum spürten.
Während „The Wall“ schon zum Großteil aus der Feder von Waters stammt, wird das Folgealbum dann noch mehr Waters und die Band darf das Stück nur noch „performen“ (so steht es zumindest auf dem Plattencover). 1980 und 1981 wurde das Werk dann auf einer Tour, die nur 4 Städte besuchte, gespielt und damals war ich mit acht bzw. neun wohl doch noch zu jung für den Stoff. 1990 nutzte Waters die Gelegenheit und ließ „The Wall“ in Berlin mit großem Gastaufgebot (aber ohne seine ehemaligen Kollegen) aufführen. Eine Besonderheit des Konzertes war einerseits, dass es das bisher einzige Konzert war, das auf einer Bühne in zwei Staaten stattgefunden hat (wir sehen jetzt einmal davon ab, dass die Bundesrepublik die DDR nie als Staat anerkannt hat), allerdings war die Veranstaltungstechnik nicht stabil, die Stromversorgung brach teilweise zusammen, viele der mindestens 200.000 Zuschauer konnten Teile der Show nicht hören.
Mittlerweile sind weitere 20 Jahre vergangen, Roger und seine ehemaligen Mitmusiker von Pink Floyd haben es für Live 8 geschafft wieder gemeinsam auf die Bühne zu gehen und viele Fans haben auf eine gemeinsame Tour gehofft, 2008 verstarb der Keyboarder Richard Wright und somit wohl auch die geringe Möglichkeit einer Reunion Tour. In einer großen Tournee hat nun Roger Waters 2010 und 2011 das Spektakel „The Wall“ wieder in die Stadien gebracht und ich durfte dabei sein. Nun gut, ich habe dafür bezahlt, aber diese Konzertkarte hat sich definitiv gelohnt! Vor der Tour ging noch das Gerücht um, das Gilmour auf mindestens einer Show mitspielen würde, was er dann auch in London bei einer Show gemacht hat, ob er auch in Düsseldorf dabei war?
Um das kurz zu machen: David Gilmour hat sich leider nicht für einen Kurztrip nach Düsseldorf erwärmen können. Schade, aber auch wenn andere mir jetzt Blasphemie vorwerfen mögen: Snowy White und die anderen Musiker haben ihn würdig vertreten.
Da dies mein erster Konzertbesuch in der Esprit-Arena in Düsseldorf war, fehlt mir der direkte Vergleich mit anderen Veranstaltungen dort, generell bin ich positiv vom drum herum angetan: An- und Abfahrt klappten bestens, das Gedrängel hielt sich in Grenzen (mag auch daran liegen, das ich mit 39 wohl unter dem Altersschnitt der Konzertbesucher lag). Die Bühne, nein, die Wand war auf der Längsseite der Arena aufgebaut und nur der obere Teil (vom Bühnenboden aufwärts) wohl knappe 10 Meter hoch. In der Mitte hatte die Mauer eine Lücke, die den Blick auf die Band freigab, hinter der Band gab es eine Rundleinwand. Allerdings war die je nach Sitzplatz die Sicht darauf durch ein fliegendes Line-Array oder durch noch verdeckte Marionetten verdeckt. Bedauerlich, den ich hatte den Eindruck, dass viele Informationen erst mal dort zu sehen waren. Vermutlich hatten die Zuschauer vorne und in der Mitte relativ freie Sicht. Im Innenraum herrschten amerikanische Verhältnisse: Komplett bestuhlt und für einen dieser Stühle zahlte man wohl knappe 240 Euros. So sehr ich mir das Spektakel von vorne angeschaut hätte, für den Preis dann doch nicht, aber ein Blick in die Runde der anderen Zuschauer zeigt schon, dass das kein normales Rockkonzertpublikum war. Viele der männlichen Besucher hatten etwas … von der Generation Joschka und Gerhard … aber auch der Konzertablauf war eher ungewöhnlich: Ohne Vorband fing die Show relativ pünktlich an (garniert mit der Ansage: Fotografieren erlaubt, aber bitte ohne Blitz, die sonst die Videoinstallationen stören würden).
Klang die Hintergrundmusik vor dem Konzert noch erbärmlich, war man mehr als angenehm vom Gesamtsound überrascht. Pink Floyd hatten schon mit Quadrophonie gearbeitet, da hat noch niemand an Surround gedacht und auch dieses Konzert bot ein „Mittendrin statt nur dabei“ Erlebnis. Direkt über der Bühne hingen links und rechts je drei Line-Arrays, je ein weiteres rechts und links hinter dem Mischpult. Zwei weitere strahlten von der der Bühne gegenüberliegenden Tribüne in Richtung Innenraum und über den linken und rechten Tribünen waren je drei Line-Arrays installiert, die ebenfalls in Richtung Innenraum schallten. Hatte ich bei den U2-Konzerten in Gelsenkirchen und speziell in Frankfurt den Eindruck „das ist zu laut“, hat es hier einfach gepasst. Vielleicht mag es eine Rolle gespielt haben, dass bei „The Wall“ das Publikum, während der Stücke, meistens relativ leise war, ich hatte aber eher den Eindruck, dass das einfach besser abgestimmt war.
Pink Floyd: The Wall
Doppel-CD
Das Doppelalbum ist ein Meilenstein der Musikgeschichte und erzzählt die fiktive Geschichte des Musikers Pink, der eine Mauer um sich aufbaut. Dabei greifen Pink Floyd teilweise auf die Biografie des Bassisten Waters zurück, der auch den Hauptanteil der Komposition trug.
Dieses Album gehört in jedes CD-Regal!
Zurück zum Surround: Schon von den Pink Floyd Platten kennt man Klangeffekte, die durchs Panorama wanderten, und so war es auch auf dem Konzert, denn das Flugzeug kam von rechts hinten und flog nach vorne (rechts von der Mitte). Im Grunde wie Kino. Wie Kino? Wohl eher unüblich für ein Rockkonzert: den Großteil der Show saß das komplette Publikum. Damit nicht genug, denn nach knapp der Hälfte wurde auf die (dann schon geschlossenen Wand) das Wort „Intermission“ projieziert, begleitet mit der Ansage das es in X Minuten (X habe ich schlichtweg vergessen) weitergehe. Die Pause wurde auch von vielen zum Getränkebesorgen (und wohl auch wegbringen) genutzt und pünktlich kam auch die Ansage, wieder zurück an die Plätze zu kehren, da die Show in fünf Minuten weiter gehen würde. Die Stimmung war durchweg gut, wobei das Publikum zwar durchaus mitging, aber Ekstase sieht anders aus. Hier und da war Waters bemüht etwas mehr Stimmung aus der Menge heraus zu kitzeln, manchmal machte ihm die Videoeinspielung einen Strich durch die Rechnung. Sprang bei „Run Like Hell“ der Funke über, wurde das Ganze dadurch gedämpft, dass ein Video gezeigt wurde, in dem Zivilisten durch die Besatzung eines Helicopters in Videospielmanier erschossen wurden.
Zur Songauswahl ist wohl eigentlich nicht allzu viel zu sagen: „When the Tigers Broke Free“ wurde nicht gespielt (was ich sehr schade fand), „Empty Spaces“ wurde in der „What shall we do now?“ Version (wie im Film) gespielt, „Another Brick in The Wall, Part II“ (das ist der Teil, den jeder kennt) folgte so etwas wie ein weiterer Teil, der sich vom Instrumentenarrangement von den drei anderen Teilen unterschied. Es kann auch sein, dass das an anderer Stelle gespielt wurde, so ganz sicher bin ich mir da nicht. Die Reihenfolge der Studio-LP wurde weitgehend eingehalten, an zwei oder drei Stellen gab es dann noch kurze Medleys bestehend aus den anderen Songs, um z. B. „Zeit“ zum Füllen der Mauer zu bekommen.
War ich mir zunächst nicht sicher, ob ich überhaupt die Karte für ein Konzert kaufen sollte, bin ich nun zu dem Schluss gekommen, das man die Show eigentlich hätte zweimal sehen sollen, denn wie bei einem Magier passieren viele interessante Kleinigkeiten an anderen Stellen der Bühne während die Aufmerksamkeit durch andere Sachen abgelenkt wurden. Vorneweg bekommt man quasi kaum mit wie die Steine Stück für Stück in die Mauer kommen, aber auch bei anderen Sachen hat man oft das Gefühl „Huch, wann ist das denn passiert?“
Roger Waters hat auch nicht mit politischen Botschaften gespart (meine Begleitung sprach passenderweise von vielen „Bono-Momenten“): Auf der linken Seite der Wand (die trotz Motivs auch als Leinwand für die Bandaufnahmen diente) war STOP WARS im Star Wars Schriftzug zu lesen, auf der rechten Seite konnte man „Capitalism“ im Stile des Coca Cola Logos sehen. Die Frage „Mother should I trust the government“ wurde mit dem Schriftzug „No fucking way“ (etwas ungelenk mit „auf keinen Fall“ übersetzt) beantwortet. Füllte Waters Ego generell die Arena schon recht gut, war die Inszenierung bei Mother perfekt, denn er sang dies im Duett mit sich selber, bzw. mit einem Mitschnitt der Aufführung in Earls Court von 1980 (oder 1981).
Als Beispiel für den Konsumzwang durfte Apple herhalten: iPay, iPray, iBelieve, iKill, iPaint (mit einer Hitler-Silhoutte die die obligatorischen weißen Kopfhörer trug), iTeach (Osama Bin Laden). Die Bomber im Comicstrip zu „Goodbye Blue Sky“ öffneten ihre Bombenschächte und heraus fielen Kreuze, Davidsterne, Halbmonde, Mercedesstern, Dollarzeichen, Shellmuscheln. „Bring the Boys back home“ fing mit Videos von Kindern an, die ihre aus dem Krieg heimkehrenden Väter begrüßen und endete mit dem Bild eines hungernden Kindes, das an das Motiv von Live Aid erinnert.
Pyrotechnik während des Openers „In The Flesh“, ein abstürzendes Jagdflugzeug (am Ende des Openers), die obligatorischen Marionetten (die Mutter, die Freundin, der Lehrer), ein fliegendes Schwein (beschriftet mit „Trust us“) das die „Surrogate Band“ begleitet (die roten Armbinden mit den gekreuzten Hämmern wären wohl ein tolles Merchandising Produkt, es ist allerdings a) zu bezweifeln das sie das Prädikat „politisch korrekt“ erhalten würden und b) könnte man die in Deutschland wohl nicht tragen). Auf die Wand wurden Zeichentricksequenzen aus dem Film aber auch viele neue Elemente projiziert. Ich glaube bei „Another Brick in the Wall Part 1“ wurden zunächst auf der runden Leinwand Bilder Gefallener angezeigt, die dann kleiner auf einzelne Steine der Mauer übertragen wurden. Waters hatte über seine Webseite um diese Bilder gebeten.
Die zweite Strophe „Another Brick in the Wall Part 2“ wurde von einem kleinen Chor Jugendlicher gesungen (wobei man sich hier und da während der Show gefragt hat, ob nicht auch das eine oder andere vom Band kam) und der Junge der auf der Studio-LP „Look mommy, there’s an airplane up in the sky“ „Goodbye Blue Sky“ einleitet, war diesmal als Keyboarder mit dabei (Harry Waters, Rogers Sohn). Als nach und nach die letzten Steine die Wand füllen, durfte die Videoproduktion aus den vollen Schöpfen: Die Wand wurde rot hervorgehoben, einzelne Steine „flogen“ nach hinten weg, andere schienen auf einmal wieder weg zu sein, hinter der Wand schienen sich Scheinwerfer zu drehen. Das muss man im Grunde einfach gesehen haben und ich frage mich, ob das auf der Konzert-DVD zu sehen sein wird! Mit „Goodbye Cruel World“ fand dann auch der letzte Stein seinen Weg in die Mauer.
Bei „Nobody Home“ wird ein kleine Raum mit Schirmlampe, Sessel und Fernseher aus der Wand geklappt, in dem Roger dann singt, bei „Comfortably Numb“ steht er vor der Wand, der Gitarrist auf einer Bühne über der Mauer (allerdings war der von meinem Platz aus nicht zu sehen, da die Scheinwerfertraversen mir den Blick versperrten). Eine auf die Mauer projizierte Säulenhalle leitet den mitunter martialischen Auftritt der „Surrogate Band“ ein („If I had my way, I’d have all of you shot!“ wird durch einen mit einer MP schießenden Roger Waters ergänzt).
Spätestens bei „The Trial“ habe ich mich dann wieder gewundert, ob nicht doch einige Teile der Show vom Band kommen. Nach „Tear down the wall“ (man hätte sich gewünscht, dass das Publikum das lauter gebrüllt hätte) bricht die Mauer zusammen. Zu „Outside the Wall“ schunkelt die ganze Band vor der zusammengebrochenen Mauer, Waters stellt die Band vor (Snowy White ist wohl der einzige Mitmusiker, der dem Publikum bekannt ist, zumindest wenn man vom Applaus ausgeht, den die Einzelnen erhalten haben) und … dann war die Show vorbei. Das Licht geht an, das Publikum strömt nach draußen, die Crew fängt mit dem Abbau an und bei mir müssen sich die ganzen Eindrücke erstmal setzen.
Soweit ich weiss wurde in London für eine DVD gefilmt, ich denke, die werde ich mir kaufen. Anstatt eines eigenen Schlußwortes mag ich meinen Kollegen Thomas zitieren (der die Show in Mannheim gesehen hat): „Konzert des Jahres, iBet! :)“