• autor.markus@mattzick.net
Musik
U2 – Songs of Surrender

U2 – Songs of Surrender

U2 haben ein neues Album herausgebracht.

Okay. Es ist kein neues Album, Bono und allen voran Edge haben die Zeit in der Pandemie genutzt um den eigenen Backkatalog etwas aufzuarbeiten. “The reimagined Album” wird “Songs of Surrender” dann auch genannt.

Wie bei jeder Meldung über U2 oder Bono im speziellen, kommt es zu bestimmten pawlowschen Reflexen: “Nach ‘Under a Blood Red Sky’ gab es kein gutes Album mehr”, “Sie haben mich nach ‘Joshua Tree’ verloren” oder “Bei ‘Achtung Baby’ waren sie noch gut”. Dazu kann man getrost sagen: Das aktuelle Album ist nichts für euch (und ich wundere mich, wieso man über 30 Jahre nach dem Release des letztgenannten Albums es noch relevant findet anzumerken, dass man danach nichts von der Band mehr gut fand. Es gibt so viele Künstler da draußen, da findet sich für fast jeden etwas).

“Ich muss mal nachschauen, ob das Album schon auf mein iPhone gespielt wurde”, “Die sollen lieber ihre Steuern in Irland zahlen” und “Die am meisten überbewertete Band überhaupt”? Die Band ist relevant genug, dass Leute, die sie für überwertet halten, das auch noch kommentieren. Steuern in Irland zahlen? Von Anfang an waren U2 auch ein Wirtschaftsunternehmen und der ehemalige Manager Paul McGuinness trägt einen nicht geringen Anteil daran, dass die Band so lange Bestand hatte und sich nicht in künstlichen oder finanziellen Streitigkeiten zerlegt hat. Da zählen dann auch unpopuläre wirtschaftliche Entscheidungen. Dass die Band einen Großteil ihres Umsatzes auch nicht in Irland macht, mag für die einen eine müde Ausrede sein, betrachtet man es betriebswirtschaftlich, mag man es anders sehen. Hier darf man dann vielleicht auch die Gegenfrage stellen, wie asketisch Bono (und Co) leben müssten, damit alle zufrieden wären? Und die Sache mit dem ungefragt auf Geräte gespielte Album: Ja, das ist passiert. Lief nicht optimal, aber in einer Branche, die sich seit Jahren im freien Fall befindet, kann man mal alternative Wege beschreiten.

Was ist “Songs of Surrender” nicht?

Aber zurück zu “Songs of Surrender”: Wer ein innovatives Rock-Album erwartet, bekommt es nicht. Angeblich ist man dabei an einem zu Arbeiten, aber die gesundheitlichen Probleme von Larry Mullen Jr. verhindern die üblichen Jam-Recording-Session der Band und dass die Band im Herbst im Sphere in Las Vegas ohne den Bandinitiator am Schlagzeug auftreten wird spricht Bände. Und damit hätte die Band dann nach Adams Fehlen beim Zoo TV Konzert in Sydney und Bono Fehlen beim Auftritt in New York, bei dem er durch Springsteen und Chris Martin vertreten wurde, außer Edge alle Mitglieder der Band bei offiziellen Auftritten gefehlt. Was die Frage in den Raum wirft: Ist Edge U2? Beim vorliegenden Album war er auf alle Fälle federführend.

Für wen ist “Songs of Surrender”?

Aber für wen ist denn dieses Album nun? Du magst die kleinen Einlagen von Bono und Edge auf Konzerten? Wenn sie zu zweit “Stay, Far away So Close”, “Sharing at the Sun”, “Stuck in A Moment” gespielt haben? Du magst die reduzierten “Temple Bar”-Mixes der Songs? Du magst die Acoustic Versionen, die sich auf B-Seiten oder Extended Versions der Alben oder auf dem Videomaterial der Special Editions befinden? Ja, dann ist “Songs of Surrender” etwas für dich.

Auf der Standardversion des Albums befinden sich 16 neu arrangierte Titel, auf der Extended insgesamt 40 und ich bin etwas verwundert, dass weder “Surrender” noch “Moment of Surrender” ihren Weg auf die Scheibe(n) gefunden haben. Es wundert mich auch, dass sowohl “October” als auch “No Line on the Horizon” komplett ignoriert wurden.

Manche der Songs wurden vorher schon in ähnlichen Versionen veröffentlicht, andere wurden erstaunlich gut neu interpretiert, andere eher interessant. An vielen Stellen wurden die Lyrics angepasst, “Walk On” dürfte das prominenteste Beispiel sein, das sich auf die Ukraine und Selenskyj bezieht.

“Songs of Surrender” als Alternative, nicht als Ersatz

Die “reimagined” Versionen ersetzen nicht die bisherigen, man erhält alternative Versionen die man zusätzlich hören kann. Ich habe mir eine Playlist mit den 40 Titeln, ihren ursprünglichen Versionen und wo möglich mit bereist vorhandenen Acousticversionen ergänzt (87 Titel). Gerade die Interpretationen von “Stories for Boys”, “Out of Control” und “I will follow” finde ich sehr gelungen, ich mag “The Fly”, finde “Desire” ein wenig Princeesque und habe für mich mit “Invisible” einen tollen Song entdeckt, den ich zwar kannte, der bei mir aber unter dem Radarschirm geflogen ist.

Zusammen mit der Dokumentation “Bono and Edge: A Sort of Homecoming – With David Letterman” und Bonos autobiographisch anmutendes “40 Songs one Story” erhält man alles, was ein gutes MTV Unplugged oder VH1 Storyteller ausgemacht hätte.

Was mir daran fehlt? Der ein oder andere Song, aber dann wären es vermutlich auch um die 100. Aber vor allem fehlen auf einigen der Interpretationen Adam und Larry.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert